02.11.12: Protest im Gericht / Bericht vom 7. Prozesstag

Beim heutigen Prozesstag protestierten Besucher*innen gegen die Verlesung von Dokumenten ehemaliger Richter über die Behandlung und Verhörsituation von Hermann Feiling. Die offenkundige Misshandlung des schwerletzten Hermann Feiling wird darin verharmlost und gerechtfertigt. Mit Transparenten im Gerichtssaal und draußen wurde auf die Komplizenschaft des Gerichts mit Folterpraktiken hingewiesen.

Prozessbeobachtung Freitag, 2.November 2012
Bericht vom 7. Prozesstag  (Gastbeitrag)

Wir kamen früh morgens zum Gericht in der Frankfurter Innenstadt, es war sehr kalt und für uns die erste Prozessbeobachtung des RZ-Prozesses.

Es ging los mit der obligatorischen Durchsuchung, Einsperrung der persönlichen Gegenstände und einer genauen Abtastung jedes Besuchers. Nacheinander betreten Christian und Sonja den Raum gefolgt von ihren Anwält_innen. Christian stand für einige Momente an der Scheibe und hat sich sichtlich gefreut, dass für ihn einige bekannte Gesichter anwesend waren – Das war für uns ein wichtiger Moment, vieles was man über den Prozess und die Beteiligten gelesen hat wurde auf einmal viel plastischer. Die sonst eigentlich üblichen Formalitäten eines Prozesses (Einleitung, Begrüßung, Aufstehen wenn die Richterin den Raum betritt…) wurden gänzlich weggelassen. Im Raum saßen auch mehrere Zivilbeamte des Staatsschutzes, die vor allem durch unqualifizierte Kommentare auf sich aufmerksam machten.

Es wurde zuerst nach dem Gesundheitszustand von Christian gefragt, weil er ja krank gewesen ist. Dies wurde von der Verteidigung damit beantwortet, dass er so verhandlungsfähig bzw. -unfähig sei, wie an  den früheren Prozesstagen.

Die Verteidigung fragte dann, warum für Hermann F. ein neuer Sachverständiger bestellt werden soll. Die Vorsitzende antwortete, weil die bisherige Ärztin nicht umfassend die Fragen des Gerichts klären konnte. Auf die Nachfrage, welche Frage sie nicht klären konnte, kam die Antwort, ob Hermann F. fähig sei, per Video durch die Prozessbeteiligten vernommen zu werden.

Danach sollte weiter gemacht werden mit der Verlesung von den Aussagen des Zeugen Horst Kuhn, der damals Hermann F. vernommen hat. Die Verteidigung beantragte die Aussetzung der Verlesung und erhob schwere Vorwürfe gegen den Zeugen Kuhn. Der Antrag wird in kurzer Zeit auch hier auf dem Blog verlinkt werden. Die Verlesung wurde erstmal zurückgestellt und die Richterin ging über zur Verlesung der Zeugenaussage des Zeugen Pieper. Auch Pieper unterstützte in seinen Aussagen die menschenverachtenden Positionen von Kuhn und erläuterte, dass Feiling zwar „etwas holprig“ aussagen würde, man ihn aber nicht hätte „drängen müssen“ und er keinerlei Zweifel an seiner Vernehmungsfähigkeit hätte, die ja auch ärztlich bestätigt sei. Die Verlesung wurde unterbrochen, als mehrere Aktivist_innen ein Transparent mit der Aufschrift „Landgericht FFM – Folterkomplizen“ entrollten und laut gegen die Verlesung protestierten. Die Richterin forderte die Gruppe auf zu gehen und kommentierte dies auch mit den Worten „Je mehr gehen desto besser“. Die Aktivist_innen verließen geschlossen den Raum. Einer der Aktivist_innen wurde von der Richterin zur Personalienfeststellung gebeten und mit einer Verwarnung belegt. Danach wurde die Verhandlung für 10 Minuten unterbrochen. Es ging weiter mit der Verlesung der Aussagen Piepers bei denen er immer wieder wiederholte in welch „psychisch und physisch guten Eindruck“ Feiling damals gemacht hätte. Er hätte seine Aussagen damals getätigt, um „andere vor Schaden zu bewahren“. Eine polizeiliche Bewachung war angeblich notwendig und Feiling hätte auch nicht widersprochen. Ein Kontaktaufnahmeverbot für Rechtsanwälte hätte es auch nicht gegeben (wobei bei den Vernehmungen selbst kein Rechtsanwalt anwesend war). Die Verlegungen damals seien aus rein medizinischen Gründen erfolgt. Die ganze Vernehmung sei „vergleichsweise wie mit einem gesunden Menschen“.

Danach gab es die vorgeschriebene Pause bis halb 12.

Die Verhandlung wurde danach fortgesetzt mit einem Antrag von Rechtsanwalt Hartmann der im Namen von Sonja einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin stellte. Er begründete dies vor allem damit, dass sie das Verlassen des Sitzungssaales von Einigen damit kommentiert hat: „.. je mehr gehen, desto besser …“: Sie habe damit klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sie keine Öffentlichkeit in diesem Verfahren wünscht. Christian schloss sich dem Antrag an.

Die Oberstaatsanwältin meinte, dass aus ihrer Sicht kein Grund für die Angeklagten bestehe einen Befangenheitsantrag zu stellen, wenn man gleichzeitig diesen Prozess von Solikomitees, web-site usw. begleiten lässt. Die Angeklagten müssten damit rechnen, dass das Gericht auf solche Aktionen im Gerichtssaal eben entsprechend reagiere. Die Richterin unterbricht kopfschüttelnd die Verhandlung und kündigt eine Weiterführung am nächsten Dienstag an.

Nach dem Prozess verabschiedeten sich noch einzelne Prozessbesucher_innen bei Sonja und Christian was teils ruppig durch die Justizangestellten verhindert wurde. Wir sind natürlich gespannt, ob wir am nächsten Dienstag eine neue Richterin bzw. Richter begrüßen dürfen und wünschen Sonja und Christian weiterhin viel Kraft!

 

Dieser Beitrag wurde unter Prozessberichte, Solidarität veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.