„Power durch die Mauer – bis sie bricht! Freiheit für Sonja Suder!“ Silvester-Knastkundgebung in Frankfurt am Main

kleinAn der Kundgebung am Knast Preungesheim nahmen ca. 200 Menschen teil. Bei mildem Wetter startete die Kundgebung vor dem Mutter-Kind-Trakt mit ersten über die Mauer geschossenen Raketen und jeder Menge guter Musik. Weiter ging es mit dem erfreulich lauten Lautsprecherwagen in Richtung U-Haft-Trakt der Frauen. Dort gab es viele Redebeiträge und Grußworte, u.a. einen Beitrag zur Geschichte des Knasts Preungesheim von einer Genossin, die dort mehrere Jahre inhaftiert war und die von Widerstand und Solidarität der Frauen im Knast berichtete. Sie betonte, dass es zwar schwer sei, den Knastalltag gut zu bewältigen, dafür aber solidarische Aktionen wie Kundgebungen vor dem Knast von großer Bedeutung seien. Sie betonte weiter, dass die Zusammensetzung der Frauen im Knast in Frankfurt die gesellschaftlichen Auseinandersetzungslinien im internationalen Maßstab widerspiegeln: Es sitzen hier viele Frauen aus Mittel- und Südamerika sowie Osteuropa wegen kleiner Delikte ein, die sie begehen, um ein für sich und ihre Familien ein gutes Leben zu ermöglichen, das ihnen anders praktisch nicht möglich ist. Ihnen gehört unsere Solidarität.
Grußworte kamen von der Mumia Abu Jamal Gruppe, von Ya Basta Frankfurt und ABC Berlin. Solidaritätsgrüße wurden auch in Farsi und auf Spanisch über den Lautsprecherwagen verlesen, damit möglichst viele Frauen in Preungesheim den Grund unserer Kundgebung nachvollziehen konnten.
Grußbotschaften gab es von Sonja und von Deniz K., der vor einigen Wochen in Nürnberg zu 2,5 Jahren verurteilt wurde. Beide dokumentieren wir im Anhang. Nach den Beiträgen zogen wir noch eine halbe Stunde an der Knastmauer, den Frauen- und Männer-U-Hafttrakt entlang. Wir konnten mit Gefangenen Grüße austauschen, schossen jede Menge Raketen über die Mauer und viele Bengalos landeten auf dem Knast-Dach und zwischen den Häusern und sorgten drinnen wie draußen für Heiterkeit und gute Stimmung!

Der Prozess gegen Sonja und Christian geht im 18. Januar 2013 unter anderem mit der Befragung des Kronzeugen Hans-Joachim Klein weiter.

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Grußwort von Sonja:
„Es ist unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.“ (Georg Christoph Lichtenberg)

Liebe FreundInnen und GenossInnen,
es tut mir leid, dass große Worte nicht gerade meine Stärke sind. Es geht aber eigentlich nicht darum, sondern mir sind die Worte einfach zu platt für die überwältigende Solidarität, die wir von euch bekommen. Diese Solidarität werden wir in Zukunft mehr denn je brauchen. Für Euren Besuch danke ich Euch auch im Namen vieler Frauen hier. Es ist ein gutes Gefühl, in Euren Rutsch ins Neue Jahr mit einbezogen zu sein.
Meine Grüße und Glückwünsche schicke ich auch allen FreundInnen und GenossInnen hinter Gefängnismauern in der ganzen Welt!

Grußwort von Deniz:

Liebe Genossinnen und Genossen, man kann uns einsperren, foltern, isolieren und unterdrücken, doch solange der Revolutionär nicht schweigt und weiter kämpft, kann man uns nicht besiegen. Der kapitalistische deutsche Staat versucht uns mit seinem Repressionsapparat abzuschrecken.
Wie immer trifft es Linke und Kommunisten, während faschistische Strukturen aufgebaut und unterstützt werden um sie gegen uns einzusetzen und die Klassengesellschaft aufrecht zu erhalten.
Mich beeindruckt ihre Repression nicht, ganz im Gegenteil, desto mehr sie versuchen mich fertig zu machen desto standhafter bin ich .
Der Staat, die Kapitalisten, die Polizei => sie können uns hassen, aber sie müssen auch lernen uns zu fürchten!
Für den Kommunismus!

Deniz, JVA Nürnberg

2012 – was für ein Jahr!
Rede einer ehemaligen Gefangenen

Keine Angst, ich werde keinen Jahresrückblick vortragen. Obwohl, … mit Blockupy hatte dieses Jahr schon so seinen ganz eigenen Charme. Aber die Geschichte geht weiter – und es wird genug Orte geben, an denen wir uns darüber austauschen können.

Darüber hinaus! Wir haben einiges bewegt in diesem Jahr. Wir haben uns in der Soligruppe kennengelernt, wir haben die charmanten Franzosen in unser Herz geschlossen und wir haben uns mit militanten Praxen der vergangenen Jahrzehnte beschäftigt.<

Die Soligruppe hat gute Vorarbeit geleistet, sodass viele Genossinnen und Genossen sich mit Sonja und Christian solidarisch zeigen können.

Der Staat vergisst nicht – wir auch nicht“

Solidarität ist eben keine Selbstverständlichkeit – das war auch im Fall der Gefangenen im Zusammenhang RZ der Ausgangspunkt.

Aber unser gemeinsames Wissen, dass Solidarität eine Waffe sein kann bringt uns hier her, zur Kundgebung vor den Knast.

Ich habe hinter diesen Mauern einige Sylvester verbracht. Manche meinen vielleicht, im Knast zu sein, sei der nackte Horror. Auch wenn da das ein oder andere dran ist. Es ist aber auch, das eben genau die Solidarität, die ich von draußen in den Jahren erfahren habe, einen trägt.

Hinter den Mauern ist es nicht anders: Knast ist ein Ort, an dem Solidarität sehr sehr lebendig ist und erfahrbar wird. Da gibt es die Solidarität untereinander. Unter uns politischen Gefangenen war es immer der Kampf um Zusammenlegung – mit den anderen Gefangenen war es gelebter Alltag. Wir haben aufeinander aufgepasst; wenn eine eine Fehlgeburt erlitt, den Entzug nicht mehr aushielt, die Einsamkeit, die Sorge der vielen Kurierinnen um ihre Familien. Die Frauen waren immer sehr findig, wenn es darum ging die Isolation unter uns politischen Gefangenen zu durchbrechen, sich dazwischen zu stellen, die Schließer abzulenken damit wir mal 5 Worte miteinander sprechen konnten. Mascha war eine von ihnen. Sie hat in diesem Jahr ihren 30 jährigen Kampf gegen die Drogen und mit den Drogen verloren – ihre solidarische Grundhaltung nie – damit war sie für mich und innerhalb der Junkeescene eine schillernde Persönlchkeit.

Knäste haben ihre eigene Kontinuität!

1888 als Gefängnis für preussisch-kaiserliche Zucht und Ordnung gebaut, diente es seitdem allen deutschen Regimen. Die Nazis bauten Preungesheim zur zentralen Hinrichtungsstätte aus. Die erste Hinrichtung fand hier schon 1934 statt. Ermordet wurde der junge Kommunist Josef Reitinger. In den Jahren zwischen 1938 und 1945 sind Hinrichtungen von 500 Menschen aus politischen Gründen dokumentiert. Hinrichtungsgründe hießen „Rassenschande“, „Fahnenflucht“, „Wehrkraftzersetzung“, „Sabotage“, „Landesverrat“.

Kein Knast wurde je geräumt, weil dort Verbrechen stattfanden. Sie sind Orte des Verbrechens.

Auch nach 1945 wurden Gefangene aus politischen Gründen inhaftiert. Nach dem Verbot der FDJ und KPD in den 1950er Jahren und seit den 1970er Jahren Gefangene aus den antiimperialistischen und sozialen Organisationen und Bewegungen.

Da waren wir mit anderen Mitteln konfrontiert. Die Trennung der politischen Gefangenen aus den Stadtguerillas, den Widerstandbewegungen in X verschiedene Knäste, die weiße Folter, die Isolation…

In Preungesheim waren seit den 1970er Jahren an die 40 Frauen aus der Linken gefangenen. Angefangen von Gudrun Enslin, den DPA- und Börsen-Besetzerinnen, die Kurdinnen – bis heute Sonja Suder. Gegen die katastophalen Zustände hier, – es gab viele Selbsttötungen und Selbsttötungsversuche, – wurde gemeinsam gekämpft – mit Hungerstreiks, Lärmprotesten des ganzen Knastes. Die politischen Gefangenen wurden weiter isoliert. In der ersten Zeit 23 Std. eingeschlossen.

Als die totale Isolation aufgehoben wurde haben sie sich in Preungesheim etwas besonderes ausgedacht. Es wurden auf dem selben Flur immer abwechselnd die Zellen aufgeschlossen, die Gefangenen sollten das Kommunikationsverbot selbst einhalten – was natürlich nicht geschah. Bedeutet hat das weitere 5 Jahre Rollkommandos, Strafeinschluß, brutale Hofabbrüche, wenn wir uns zugerufen haben. Es gab Phasen, in denen die Schließer laxer in der Durchsetzung der Verbote waren – dann ging wieder alles von vorne los. Zum Ende meiner Zeit waren wir zu dritt auf einem Flur – Kleingruppenisolation. Was aus unserer Sicht alles andere als ein Sieg war.

Global City“, das spiegelt sich auch in Preungesheim wieder. Frankfurt mit dem Flughafen als internationales Drehkreuz – so ist der Knast auch ein internationales Knastlager. Unzählige Frauen aus Mittel- und Südamerika und Osteuropa, die wegen der ökonomischen Lage dieser Länder gezwungen sind durch irgendwelche Geschäfte ihr Überleben zu sichern. In den reichen Metropolen werden sie kriminalisiert, in den Kanst gesteckt und abgeschoben. Oder wegen der Asylgesetze zum Zweck der Abschiebung gefangen gehalten.

Für eine Gesellschaft ohne Knäste
Sonja muß raus

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