„…können Sie sich erinnern, gelesen zu haben… ?“ Prozessbericht vom 21.12.

Der Besuch begann wieder mit Ausweiskontrollen – die Ausweise wurden bei Betreten kopiert unter Verweis auf die schriftliche Anordnung der Richterin. Auch murmelte Richterin Stock wieder etwas von Ordnungsgeld oder 2 Tage Haft, als sich das Publikum bei Eintreten des Gerichts nicht erhob. Es blieb aber bei der richterlichen Drohgebärde. Dann sprach überraschend die beisitzende Richterin Möhrle das erste Mal: Sie verlas die Zurückweisung des Befangenheitsantrags vom 14.12.
An dem Tag hatte das Gericht den mit dem Bus der Solidarität aus Berlin angereisten BesucherInnen ebenfalls Bußgelder, ersatzweise
Ordnungshaft, wegen ungebührlichen Benehmens angedroht, dies aber nicht vollstreckt, die Hauptverhandlung stattdessen ohne Begründung unterbrochen. Die Begründung artete in eine schier endlose Rechtfertigung des Gerichts aus über den Umgang mit nicht folgsamen ZuschauerInnen.
Dann wurde die Zeugin Baumert hinein gebeten, die beim BKA in Meckenheim tätig ist und in den 80ern zur Ermittlungsgruppe RZ/Rote Zora gehörte und auch an den Ermittlungen wegen des Brandanschlags auf das Heidelberger Schloss beteiligt war. Aus dem Publikum wurde dann aber darauf hingewiesen, dass die Öffentlichkeit noch nicht hergestellt sei, da wegen der Kontrollen noch nicht alle BesucherInnen im Saal säßen. Das Kopieren der Ausweise durch die Justizwachteln verstoße außerdem gegen die schriftliche Anordnung der Richterin, da dort nur das Notieren der Personalien gefordert werde. Von einer Vernichtung der Kopien am Ende des Verhandlungstages war in der Anordnung gar nicht erst die Rede.
Daraufhin verkündete Stock 15 Min. Pause und das Gericht zog sich zurück.

Beim zweiten Eintreten des Gerichts wurde dem sitzenden Publikum dann erneut Ordnungsgeld oder wahlweise 2 Tage Haft angedroht. Da das Publikum aber gerade wieder heraus ging und erst Sekunden später wieder den Saal betrat, wurde die Drohung nicht umgesetzt. Dann wurde auch alles andere wiederholt, damit die Neuan-kömmlinge auch alles mitbekommen: Wieder trug Richterin Möhrle die Begründung für die Ablehnung des Befangenheitsantrags vor (weil die Öffentlichkeit ja nicht vollständig hergestellt gewesen war) und auch die Zeugin noch einmal hinein gebeten.
Bereits zu Beginn der Vernehmung fragte die Verteidigung die Zeugin, wie sie sich auf die Vernehmung durch das Gericht vorbereitet habe. Sie hatte sich den Bericht, den sie in den 80ern über den Ermittlungsstand angefertigt hatte, von der Bundes-anwaltschaft (GBA) schicken lassen und noch einmal gelesen, um sich auf Aussage vorzubereiten. Da sie sich an die Ermittlungen damals selbst nicht mehr erinnern konnte, wurde die Vorsitzende Richterin von der Verteidigung aufgefordert, sie bei der Befragung stets zu fragen: „Erinnern Sie sich, gelesen zu haben, …?“ Die Ermittlungen hatten nach Angaben der Zeugin keine Hinweise auf die Angeklagten ergeben.
Nachdem die Zeugin entlassen worden war, übergab der Staatsanwalt dem Gericht eine Mappe mit Fotos von Hermann Feiling. Die Dokumente habe ihm die Zeugin heute mitgebracht, berichtete der Staatsanwalt auf Nachfrage sichtlich pikiert.  Die VerteidigerInnen wiesen das Gericht darauf hin, dass dies im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin stehe, wonach ihr sonst keine weiteren Unterlagen von der GBA vorgelegen hätten. Auf Bitten der Anwälte verlas die Richterin auch das Begleitschreiben des Dokuments. Dabei wurde auch ein Aktenzeichen eines Ermittlungsverfahren zu Gehör gebracht, über das die Verteidigung bisher nicht informiert war. Unter dem Aktenzeichen sei ein Verfahren zum Nachteil von Hermann Feiling geführt worden, erklärte die Staatsanwältin auf Nachfrage der Verteidiger. Die Vorsitzende bat die Staatsan-waltschaft, sämtliche unter dem Aktenzeichen geführte Dokumente den Gericht auszuhändigen. Damit endete der letzte Termin vor den Feiertagen.

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